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Gemeinsam – im Leben und auch an dessen Ende

Dass das Annenbergheim Latsch mehr ist als nur eine Zweckgemeinschaft zusammengewürfelter Senioren, zeigt sich nicht zuletzt wenn es gilt, sich von einem Heimbewohner zu verabschieden.

Stirbt ein Bewohner des Altenheimes Latsch, wird er dort vor dem eigentlichen Begräbnis würdig verabschiedet – von seinen Mitbewohnern, der Direktorin, der Pflegedienstleiterin, Paula Plank, Heidi Greis, Andrea Ladurner, dem ehrenamtlichen Chor und den MitarbeiterInnen, die sich um die Verabschiedung im Haus kümmert. Der Sarg wird im Eingangsbereich des Heims aufgebahrt, Pflanzen, Blumenkränze und große Kerzen schmücken den Raum, die Singgruppe rund um Paula Plank wird an der Gitarre von Andrea Ladurner begleitet. Seit 2022 leitet Andrea Ladurner auch den „Kleinen Chor“, dessen Sängerinnen Mitarbeiterinnen des Annenbergheims sind. Man hat das Gefühl, dass dieser Rahmen ein würdiger ist, um sich vor dem eigentlichen Begräbnis von einem verstorbenen Menschen zu verabschieden.

Nach dem gemeinsamen Singen wird der Rosenkranz gebetet, danach ein kurzer Text über die Verstorbenen vorgelesen und deren Biografie und Lebenswerk in Erinnerung gerufen. Jede Verabschiedung, so der Anspruch, soll individuell gestaltet werden. Die unterschiedlichen Rituale schaffen eine besondere Atmosphäre und geben dem Ganzen eine spürbare und besondere Kraft.

Nach der Zeremonie treffen sich Angehörige, Heimbewohner und Mitarbeiter im großen Aufenthaltsraum, um gemeinsam etwas zu essen und zu trinken – das, was man im Volksmund als „Pietschn“ bezeichnet. In ein Fotoalbum wird schließlich ein Bild der Verstorbenen eingefügt und in der Kapelle des Heims aufbewahrt. Zu Allerseelen kommt alljährlich Pater Peter ins Heim und hält eine Messe für die Verstorbenen des Altenheims.

Die ganze Zeremonie verläuft ruhig und angenehm, man hat das Gefühl, dass diese Form des Abschiednehmens für Heimbewohner und Angehörige große Bedeutung hat. Man ist sich hier noch näher und die Atmosphäre ist durchaus intimer als auf einem Begräbnis. Die Menschen sprechen miteinander und geben sich Kraft und Halt.

Es ist ein beeindruckendes Zeugnis, wie in Latsch gemeinsam und in einem angemessenen Rahmen Raum geschaffen wird, um gebührend Abschied von einem verstorbenen Menschen zu nehmen. Wir haben Andrea Ladurner gefragt, was denn dabei die Aufgaben der Mitarbeiter seien.

Andrea Ladurner: Unsere Aufgabe ist vor allem herauszufinden, welche Art von Verabschiedungszeremonie die Menschen haben möchten. Aus diesem Grund erstellen wir von jeder Heimbewohnerin und jedem Heimbewohner einen so genannten Biografiefragebogen, anhand dessen wir dann auf die Wünsche der Sterbenden und ihrer Angehörigen eingehen können.

Annenbergheim Latsch: Seit wann gibt es diese Verabschiedungskultur und von wem stammt die Idee dazu?

Ladurner: „Es dürften gut und gerne fünfzehn Jahre sein, seit wir hier im Heim eine solche Zeremonie vor dem eigentlichen Begräbnis durchführen. Die Idee geht auf den Meraner Seelsorger Pater Peter zurück.

Annenbergheim Latsch: Wie darf man sich eine solche Verabschiedungszeremonie vorstellen?

Ladurner: Die wenigsten Menschen in Altenheimen sterben plötzlich und von einem Tag auf den anderen. Das bedeutet, dass wir mit dem Sterbenden und den Angehörigen diese Verabschiedungszeremonie vorbereiten. Viele der Heimbewohnerinnen und Heimbewohner haben selbst schon vorher an anderen Verabschiedungszeremonien teilgenommen und können sich dann im Laufe der Zeit Dinge überlegen, die sie an diesem Tag X gerne von oder über sich hören möchten. Das kann ein Lieblingslied sein, das vorgespielt oder gesungen wird. Oder Angehörige tragen einen kurzen Text oder ein Gedicht vor. Jeder Mensch hat eine eigene Geschichte und Biographie und darauf möchten wir so gut wie möglich eingehen.

Annenbergheim Latsch: Die Verabschiedung als Teil des selbstbestimmten Lebens also?

Ladurner: Individualität wird gerade hier von uns besonders groß geschrieben. Es ist uns ein großes Anliegen, dass die Heimbewohner selbst und eigenständig Einfluss auf ihre Verabschiedung nehmen – sofern sie das natürlich möchten und wünschen.

 

Annenbergheim Latsch: Ist es für die anderen Bewohner nicht schwierig, wenn sie einen Menschen in ihrem Heim verabschieden müssen?

Ladurner: Ich habe eher das Gefühl, das genaue Gegenteil ist der Fall. Die allermeisten Heimbewohner nehmen an den Verabschiedungen teil, nur die wenigsten möchten auf ihren Zimmern bleiben. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner haben uns nach den Zeremonien bestätigt, wie schön und angemessen sie den Rahmen fanden und dass sie sich eine ähnliche Verabschiedung auch für sich selbst wünschen würden. Außerdem kennen sich die Menschen in unserem nicht sehr großen Haus und nicht jeder hat die Möglichkeit, am eigentlichen Begräbnis teilzunehmen. So schaffen wir letztlich eine Möglichkeit für alle Heimbewohner, sich von einem bekannten Menschen zu verabschieden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass diese Zeremonie für die Angehörigen, aber eben auch für die Heimbewohner fast persönlicher ist, als das eigentliche Begräbnis danach.

 

Annenbergheim Latsch: Der Tod ist also kein Tabuthema im Annenbergheim Latsch?

Ladurner: Nein, auf keinen Fall. Der Tod ist spätestens mit dem Umzug ins Altenheim ein Teil der Menschen, denn Tod kann natürlich auch Erlösung sein und gehört genauso zum Leben wie die Geburt. Der Tod kann also durchaus auch etwas Beruhigendes sein, sowohl für den Sterbenden als auch für seine Angehörigen.

 

Annenbergheim Latsch: Wie erlebt das Heimpersonal die oft fast 20 Verabschiedungszeremonien pro Jahr?

Ladurner: Ich glaube, dass es auch für uns eine wichtige Rolle spielt. Schließlich betreut man oft über Monate und Jahre einen alten Menschen und hat täglich mit ihm zu tun. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bauen dabei ein Verhältnis zu den Bewohnern auf und wenn dann jemand stirbt, ist es für uns auch wichtig, dass wir uns die Zeit nehmen können, uns von diesen Menschen zu verabschieden.